Jakob Kaiser

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Jakob Kaiser, 1950

Jakob Kaiser (* 8. Februar 1888 in Hammelburg; † 7. Mai 1961 in West-Berlin) war ein deutscher Politiker (Zentrum, später CDU), Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Vorsitzender der CDU der SBZ, Mitglied des Parlamentarischen Rates und von 1949 bis 1957 Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen.

Der Buchbinder Jakob Kaiser gehörte in der Weimarer Republik der Zentrumspartei an und war in der Christlichen Gewerkschaftsbewegung aktiv. Ab 1924 war er Landesgeschäftsführer der Christlichen Gewerkschaften für das Rheinland und Westfalen und wurde in der Reichstagswahl März 1933 für das Zentrum noch ins Parlament gewählt, dem er dann bis November 1933 angehörte. Mit seiner Fraktion stimmte Kaiser dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 zu. 1933 war er im Führerkreis der Vereinigten Gewerkschaften, der die Richtungsgewerkschaften im Kampf gegen die Nationalsozialisten zu einer Einheitsgewerkschaft zusammenschließen wollte. 1934 schloss er sich der Widerstandsbewegung an und arbeitete eng mit Wilhelm Leuschner und Max Habermann zusammen. Wegen des dringenden Verdachtes hochverräterischer Betätigung war er 1938 mehrere Monate in Gestapo-Haft. Nach 1941 setzte er seine Widerstandstätigkeit in Zusammenarbeit mit Carl Friedrich Goerdeler und führenden Männern der Militäropposition fort. Kaiser war führendes Mitglied im Kölner Kreis. Der Verhaftungswelle nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 konnte er durch Flucht entgehen und sich im Keller von Gertrud Droste in Potsdam-Babelsberg verstecken. Er überlebte als einziger aus dem engeren Kreis des gewerkschaftlichen Widerstands in Berlin. Seine Frau Therese und die ältere Tochter Elisabeth, die 1949 Hans Katzer heiratete, kamen in Sippenhaft. Ebenfalls inhaftiert wurden die Geschwister seiner Frau.

Jakob Kaiser auf dem Parteitag der Ost-CDU 1947

Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Kaiser mit Andreas Hermes und Joseph Ersing zu den Mitbegründern der CDU in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Er kämpfte erfolglos gegen die immer tiefer werdende Kluft zwischen der SBZ und den drei Westzonen sowie gegen die Umwandlung der Ost-CDU in eine Blockpartei.

In den Augen der Siegermächte war Kaiser der Vertreter der Linken in der Partei. Die Zeitung The Times nannte ihn 1946 den Gegenpol zu Konrad Adenauer: „Der wahre Führer der Linken in der C.D.U. ist Jakob Kaiser, der die Partei in der russischen Zone von Berlin aus leitet. Zum Teil wegen seiner alten Verbindung zu den christlichen Gewerkschaften, zum Teil weil er in der russischen Zone aktiv sein muss, predigt Kaiser einen nicht-marxistischen Sozialismus, welchen Adenauer wiederum ablehnt. Kaisers Einfluss [in der Partei] ist nur augenblicklich schwach; seine Persönlichkeit ist geeignet, ihn zu einem zukünftigen nationalen Führer zu machen, wenn Deutschland wieder ein eigener Staat ist.“[1]

Im Mai 1947 plädierte Kaiser auf einer Kundgebung in Berlin gegen eine Übertragung sowohl des amerikanischen wie des sowjetischen Systems auf Deutschland und erklärte: „Eines allerdings erkennen wir als unser Gesetz. Das ist unser unbeirrbarer Wille, aus allen Erfahrungen heraus den deutschen Weg zu suchen und zu gehen. Nicht dem Westen und nicht dem Osten hörig, sondern dem deutschen Weg und dem deutschen Volk verpflichtet.“[2]

Im Dezember 1947 wurden er und Ernst Lemmer als Vorsitzende der Ost-CDU von der Sowjetischen Militäradministration abgesetzt. Auch nach seiner Übersiedelung nach West-Berlin war Kaiser jedoch ein Gegner der Westbindungspolitik des Vorsitzenden der CDU in der britischen Zone und späteren Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Er favorisierte stattdessen ein blockfreies Deutschland mit Brückenfunktion zwischen West und Ost. Mit Karl Arnold gehörte er zudem zu der Gruppe ehemaliger christlicher Gewerkschaftsführer, die sich innerhalb der CDU für die Vergesellschaftung (Verstaatlichung) von Schlüsselindustrien einsetzten. Er gehört zu den Gründern der CDU-Sozialausschüsse, deren Vorsitzender er von 1949 bis 1958 war.

1948/49 war Kaiser einer von insgesamt 6 Angehörigen der Berliner Stadtverordnetenversammlung nur beratendes Mitglied des aus 65 stimmberechtigten Mitglieder des Parlamentarischen Rates. Wegen des Sonderstatus Berlins hatten die Berliner Vertreter kein Stimmrecht. Unter anderem aufgrund Kaisers Mitwirkung wurde der Satzteil „denen mitzuwirken versagt war“ in die Präambel des Grundgesetzes aufgenommen.[3] Bei der ersten Bundestagswahl 1949 kandidierte Kaiser in Essen für ein Direktmandat und wurde mit 32,4 % der Stimmen ins Parlament gewählt. Im Wahlkampf zur Bundestagswahl 1953 war er der einzige CDU-Spitzenpolitiker, der sich offen für eine Große Koalition einsetzte.

Ehrengrab Jakob Kaisers auf dem Waldfriedhof Zehlendorf

Bei der Bundestagswahl 1953 behauptete er den Wahlkreis mit nunmehr der absoluten Mehrheit der Erststimmen. In der Zeit seiner von 1949 bis 1957 währenden Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag bekleidete er das Amt des Ministers für gesamtdeutsche Fragen. Er gehörte zu den führenden Köpfen des am 17. Juni 1954 gegründeten Kuratoriums Unteilbares Deutschland. In seiner Ministerposition engagierte er sich in der Volksabstimmung erfolgreich gegen das Saarstatut, wodurch das Saarland 1957 der Bundesrepublik Deutschland beitrat und zehntes Bundesland wurde.[4] Von 1950 bis 1953 und 1956/57 war er ständiger Vertreter des Bundeskabinetts im Ältestenrat des Bundestages. Von 1950 bis 1958 war er einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU.

Jakob Kaiser erlitt 1957 einen Herzinfarkt; seitdem war er teilweise gelähmt. Er starb am 7. Mai 1961 in West-Berlin an Herzschwäche.[5]

Kaiser wurde am 12. Mai auf dem Waldfriedhof Zehlendorf in Berlin-Nikolassee mit einem Staatsbegräbnis beigesetzt.[6] Die Grabstätte gehört zu den Ehrengräbern des Landes Berlin.

Kaiser war seit 1918 verheiratet mit Therese Kaiser, geb. Mohr (1889–1952) und seit 1953 mit Elfriede Kaiser-Nebgen (1890–1983) und war Vater von zwei Töchtern.

  • Jakob Kaiser: Gewerkschafter und Patriot. Eine Werkauswahl, hg. von Tilman Mayer, Bund-Verlag, Köln 1988.
  • Jakob Kaiser: Wir haben Brücke zu sein. Reden, Äußerungen und Aufsätze zur Deutschlandpolitik. Herausgegeben von Christian Hacke, Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1988, ISBN 3-8046-8706-7.

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Erich Kosthorst: Jakob Kaiser. Der Arbeiterführer, Kohlhammer, Stuttgart 1967.
  • Elfriede Nebgen: Jakob Kaiser. Der Widerstandskämpfer, Kohlhammer, Stuttgart 1967.
  • Werner Conze: Jakob Kaiser, Politiker zwischen Ost und West 1945–1949, Kohlhammer, Stuttgart 1969.
  • Erich Kosthorst: Jakob Kaiser. Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 1949–1957, Kohlhammer, Stuttgart 1972.
  • Werner Conze: Kaiser, Jakob. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-00192-3, S. 41–43 (Digitalisat).
  • Tilman Mayer: Jakob Kaiser (1888–1961). Vorsitzender der CDU in der SBZ, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. In: Günter Buchstab, Brigitte Kaff, Hans-Otto Kleinmann (Hrsg.): Christliche Demokraten gegen Hitler. Aus Verfolgung und Widerstand zur Union. Herausgegeben im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung. Herder, Freiburg im Breisgau 2004, ISBN 3-451-20805-9, S. 324–329.
  • Marcel Albert: Jakob Kaiser, Politiker aus Hammelburg, in der deutschen Erinnerungskultur. In: Mainfränkisches Jahrbuch, Jg. 60 (2008), S. 318–335.
  • Herbert Elzer: Konrad Adenauer, Jakob Kaiser und die „kleine Wiedervereinigung“. Die Bundesministerien im außenpolitischen Ringen um die Saar 1949–1955 (= Geschichte, Politik und Gesellschaft. Schriftenreihe der Stiftung Demokratie Saarland e. V., Bd. 9). Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 2008, ISBN 978-3-86110-445-2.
  • Helmut Müller-EnbergsKaiser, Jakob. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Erich Kosthorst: Jakob Kaiser (1888–1961). In: Jürgen Aretz, Rudolf Morsey, Anton Rauscher (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern, Aus dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Band 2, Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster 2022, ISBN 978-3-402-06112-1, S. 143–158. (Digitalisat)
Commons: Jakob Kaiser – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. The Times: Germans Poll To-Morrow. Elections in the British Zone. 14. September 1946, S. 3. Zitat aus dem Englischen übersetzt.
  2. Rainer Zitelmann: Adenauers Gegner – Streiter für die Einheit. In: Uwe Backes, Eckhard Jesse, Rainer Zitelmann (Hrsg.): Reihe Extremismus und Demokratie. Band 2. Straube, Erlangen / Bonn / Wien 1991, ISBN 3-927491-35-7, S. 32.
  3. Peter Sturm: Köpfe hinter dem Grundgesetz / Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates kamen aus unterschiedlichen politischen Milieus. Fünf Biographien, In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Mai 2024, Seite 8
  4. siehe das Buch von Herbert Elzer (2008)
  5. Der Spiegel 21/1961: Gestorben
  6. bundesarchiv.de
  7. Jakob-Kaiser-Platz. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)